大青山 Reisebericht Teil 1
Von März bis Juni 2014 war ich auf Da Qing Shan in China. Das war eine hammersgeile Zeit. Gleich die Ankunft war sehr practical. Ich bin angekommen, hab ein Happen gegessen und schon gings los zum Pushhandstraining. Es war 19:30 Uhr.
Ich hatte echt Dusel. Meister Chen war unplanmäßig, zumindest ohne großartige Ankündigung auch auf dem Berg. Ich kannte ihn schon von Peking wo ich ihn ein Jahr zuvor im Sommer 2013 kennenlernte, als ich beschloss meinem Taiji Training eine Wendung zu geben. Etwas fehlte in meinem Training, dass wusste ich damals ganz genau. Nach dem Gespräch mit Meister Chen und nachdem ich mein Ego überwunden hatte fällte ich die Entscheidung mit Practical Method anzufangen. Mir war gleich klar, dass ich nicht von Videos lernen will, bzw. auch nicht kann. Was das angeht, so denke ich, dass es keiner kann. Man braucht das Feedback eines Lehrers Punkt. So stand für mich sofort fest, dass ich wieder nach China reisen werde, nämlich auf den Berg, um von Chen Zhonghua direkt und intensiv zu lernen.
Da ich damals schon seit vier Jahren Taijiquan trainierte war es schwer umzusatteln. Ich trainierte noch bis Dezember meinen alten Stil. Aus verschiedenen Quellen, auch direkt von Meister Chen hatte ich gehört, dass man nicht mischen sollte. Irgendwo sind die Prinzipien im Taiji, egal welcher Stil ja gleich, aber dann wieder auch nicht. Was sich aber auf jeden Fall unterscheidet ist die Methode mit der diese Prinzipien unterrichtet werden. Ich beschloss also ein Reset zu machen. Ab Dezember stellte ich das Training komplett ein.
Ab Anfang Jänner sollte es weiter gehen, aber weil ich etwas von Krankheiten geplagt wurde ging's erst ende Jänner los. Mit was? Mit den Basics.
Das Ego
Ich kann nun aus Erfahrung berichten, dass es nicht sehr leicht ist von Grund an neu anzufangen. Klar, der Körper ist schon irgendwie vorbereitet, aber man fängt doch von neuem an. Das Ego ist da ein Hindernis. Es wollte sich ständig einmischen: Nein, so nich, das ist falsch in dem was ich bisher gelernt habe.
Auch die Tatsache, dass ich wieder Anfänger war, war schwierig zu verdauen. Ich war davor nämlich gar nicht so schlecht, in dem was ich gemacht hatte. Und nun wieder von Null. Lange Rede kurzer Sinn: Es war psychisch anstrengend.
Was sind aber die Basics? Das sind die Grundübungen und in Practical Method sind das zunächst einmal die zwei Circles. So werden die im Englischen genannt, und ich finde das deutsche Wort Zirkel etwas unpassend als Übersetzung, daher benutze ich die englischen Versionen. Davon gibt es zwei. Den positiven Circle und den, na?, genau: negativen Circle.
Und da kam auch schon das von wegen vom Videos lernen ins Spiel: Das ist schlichtweg Sch...lecht. Das muss ja nicht unbedingt auf jeden zutreffen, aber auf jeden Fall auf mich. Dabei ist es nicht etwa so, dass ich ein Problem mit Mental Rotation habe, also die Bewegungen vom Video zu erfassen und auf meinen Körper zu übertragen. Es ist einfach so, dass es frustrierend ist zu wissen, dass etwas falsch ist, aber man niemanden hat, den man fragen kann und der mich mit einem knappen Kommentar einen riesigen Sprung weiter bringen könnte.
Mal abgesehen davon, dass man nie drauf kommt, wie es eigentlich sein sollte, ohne das richtige Feedback. Das hatte ich ja schon erwähnt, aber man muss ja irgendwo anfangen.
Um das ganze etwas abzukürzen: Ich habe mit den Video die Circles soweit gelernt, dass es für mich nicht ganz neu war und die ersten 13 Bewegungen der Yilu. Natürlich war alles falsch, aber so ist das eben. Es dauert auch Jahre bis man es einigermaßen drauf hat, daher ist falsch schon mal besser als gar nicht.
Der Berg
Wie schon eingeleitet ging es dann gleich mit dem Training los. Beim Pushhands hab ich einen fight erst mal gewonnen. Das war super. Gegen einen der PM erst seit kurzem macht, aber immerhin. Dieser jemand war Tang Yanmiao. Wir wurden sehr schnell sehr gute Freunde. Er ist ein super Trainingspartner und einfach ein cooler Typ.
Den zweiten fight hab ich verloren. Mein Gegner war Harry. Sein Chinesicher name klingt tatsächlich wie Harry. Ein sehr netter Kerl. Später gab ich und John (aus Australien) ihm den Namen Harry the Rock, weil er einen wirklich guten Stand hatte.
Aufgewacht bin ich am nächsten Tag dann mit einem Muskelkater. Noch ziemlich fertig von der Reise und mit einem leichten Jet-Lag kann 5:30 Uhr am Morgen noch früher sein, als es eh schon ist. Vor allem, wenn man erst gegen 12 Uhr Nachts in einem eiskalten Zimmer zum schlafen kommt. Ab April beginnt das Training dann um diese Zeit und man muss um 5 Uhr aufstehen.
Man gewöhnt sich dran und man geht gerne hin, denn man ist umgeben von sehr netten Menschen mit denen man zusammen trainiert: Chen Xu, Zi Li, Hu Xiaoming, Wen Yangtao, Lai Chuanlei, Ba Dabing, Ba Dabeng, um nur ein paar zu nennen. Für Leute die wenig mit China am Hut haben, klingen die Namen natürlich alle sehr lustig, besonders die letzten zwei. Tatsächlich hab ich die letzten zwei gerade erfunden. Es gab dort keinen mit dem Namen, zumindest nicht das ich wüßte.
Generell waren alle Menschen oben auf dem Berg sehr freundlich. Ich hatte eine wirklich angenehme Zeit dort und habe mich schnell auch mit dem Personal und einigen Bauarbeitern bekannt gemacht. Zum Glück konnte ich schon ein klein wenig chinesisch sprechen und verstehen, denn ich war bis Ende April der einzige Ausländer auf dem Berg. Das mag den ein oder anderen abschrecken, aber für mich war das eine echt gute Zeit, denn dadurch wurde mein Chinesisch schnell etwas besser.
Der Berg war allerdings ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Zwar dachte ich nicht, dass es sich nur um einen verlassenen Tempel handelt, denn dass es ein Hotel und ein Restaurant gibt war mir schon klar. Das es so kommerziell ist wie es ist hätte ich mir aber schon denken können. Am Anfang hat mich das etwas gestört. Auch, dass zu der Zeit gerade ein rießiges Hotel aufgestellt wurde und es immer nur eine Baustelle war.
Sehr schnell war es mir allerdings egal. Tatsächlich fand ich großen gefallen daran mich immer wieder mit Touristen zu unterhalten, die an den Wochenenden und zu den Feiertagen auf den Berg kamen, um mit ihren Familien etwas zu relaxen. Es gibt dort einen Abenteuerspielplatz und damit auch viele Kinder. Es waren auch sehr viele Bonding Gruppen da.
Das sind so Teambildungstrainings. Zumeist junges Personal von z.B. einer Bank kommen auf dem Berg an, werden in Militär-Overalls gesteckt und müssen verschiedene Aufgaben im Team bewältigen. Das war sehr interessant und manchmal auch sehr lustig zum zuschauen. Habe bei einer Übung mal mitgemacht und habe das auch auf Video. Das werde ich irgendwann mal auf Youtube stellen.
Was aber wirklich, wirklich schön war auf dem Berg, dass war die Landschaft. Jeden Morgen sah man runter ins Tal und sah die Sonne am Horizont aufgehen. Jedesmal atemberaubend. Die Landschaft war so abwechlungsreich, dass man immer etwas neues entdeckte. Später machte ich dann etwas längere Touren in der Umgebung und genoss die absolute Stille abseits vom Trubel der Anlage. Es gibt recht viele ausgebaute Wanderwege, aber man kann noch weiter gehen und ich kann es jedem nur empfehlen sich dort mal umzuschauen.
Und die Luft? Ja, China ist ja nicht gerade bekannt für Umweltschutz. Die Luft in Peking ist wirklich schlecht, aber in Chenjiagou, dem Ursprungsort des Taiji und wo ich schon 3 mal war ist die Luft einfach furchtbar. Das Dorf liegt nämlich in der Provinz Henan und die ist bekannt für Industrie und vor allem Kohleabbau. An schlechten Tagen hatte man auch schon mal schwierigkeiten beim Atmen.
Auf dem Berg allerdings, welcher in der Provinz Shandong liegt war die Luft klar. Wir hatten fast ausschließlich immer einen blauen Himmel und wirklich schönes Wetter.
Ab und zu steckte der ganze Berg in den Wolken fest. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Sichtweiten von ca. 10m und das mehrere Tage lang. Eine mystische Stimmung herrschte dann. Aber wie gesagt, weitgehenst gutes Wetter. Beides war einfach herrlich.
Natürlich ist gute Luft kein Indiz für gutes Taiji. Es war aber dennoch sehr erfreulich gute Luft zu haben. Auch die Landschaft ist schöne und abwechslungsreich, aber sollte nicht mit Taiji in verbindung gebracht werden. Beides ist ein sehr erfreuliches Add-On welches ich sehr zu schätzen wusste, aber mehr nicht.
Damit das ganze nicht zu lange wird mache ich an dieser Stelle erst mal Schluss. Im nächsten Teil dieses Berichts geht's darum wie das Training war, meine Abenteuer mit Meister Chen Zhonghua in Wuxi und wie ich endlich mein Volk gefunden habe.